Exkursion zum Finanzgericht Nürnberg Wintersemester 2014
Besuch des Finanzgerichts Nürnberg
Am Donnerstag, dem 23. Oktober 2014 besuchten 25 Studenten gemeinsam mit Prof. Scheffler und dessen Lehrstuhlmitarbeitern das Finanzgericht Nürnberg. Nach einer kurzen Begrüßung durch Herrn Naczinsky, dem Vizepräsidenten des Finanzgerichts, wurden uns die Sachverhalte der nachfolgenden Verhandlungen, an welchen wir teilnehmen durften, kurz dargelegt. Der VI. Senat des FG Nürnberg sollte an diesem Tag in drei Fällen entscheiden. Herr Naczinsky verdeutlichte uns die Kernaufgaben des Finanzgerichts. Besonders interessant war, dass bei der Arbeit des Finanzgerichts die eigentliche Rechtsanwendung und –auslegung eher im Hintergrund steht und der größte Teil der Arbeit der Sachverhaltsaufklärung dient. Zuletzt führte uns Herr Finster, Richter und EDV‐Verantwortlicher am Finanzgericht, in die Verwaltung und die Organisation des Finanzgerichts ein.
Um 9:45 Uhr startete die erste Verhandlung. Kläger war ein Alleinerbe, der die Aufhebung von Kirchensteuerbescheiden seines verstorbenen Vaters beantragte. § 351 Abs. 2 AO gibt hierbei vor, dass die Feststellungen eines Grundlagenbescheides, wie es der Einkommensteuerbescheid ist, nur durch Anfechtung dieses Bescheids und nicht durch Anfechtung des Folgebescheids, hier der Kirchensteuerbescheid, angegriffen werden können. Somit war die Klage unbegründet und die Verhandlung nach kurzer Zeit beendet, sodass sich im Anschluss noch Zeit für Fragen bot, welche Herr Naczinsky mit großem Interesse beantwortete. Uns wurde erklärt, dass die Öffentlichkeit auf Antrag ausgeschlossen werden kann und dass der Steuerpflichtige stets Kläger und das zuständige Finanzamt stets Beklagter ist. Der Vorsitzende erklärte uns außerdem, dass in jedem Streitfall die Richterbank aus fünf Richtern, sprich dem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, besteht. Die ehrenamtlichen Richter werden dabei von verschiedenen Berufsverbänden und Gewerkschaften gestellt.
Im zweiten Fall fehlte zu unserer Verwunderung der Kläger unentschuldigt. Laut Herrn Naczinsky kommt dies häufiger vor als angenommen. Jedoch wird auch bei Nichterscheinen der Kläger nach Aktenlage entschieden. Im vorliegenden Fall war aufgrund eines undeutlich formulierten Antrags unklar, ob es sich um einen Antrag auf schlichte Änderung oder um eine Klage handelte. Das Gericht entschied, die Klage abzuweisen, da der Sachverhalt ohne Anwesenheit des Klägers nicht genauer erörtert werden konnte.
Der dritte und für uns interessanteste Fall handelte von der steuerlichen Berücksichtigung von Familienheimfahrten.Gemäß § 9Abs.1 Satz 2 Nr. 5 EStG sind die Aufwendungen für Familienheimfahrten steuerlich zu berücksichtigen, wenn die aufgesuchte Wohnung den Mittelpunkt des Lebensinteresses darstellt und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird. Vorliegend
hat der alleinstehende Kläger an seinem Arbeitsort keine sozialen Beziehungen aufgebaut, außerdem hat er eine pflegebedürftige Mutter in seiner Heimatstadt. Somit ist der Lebensmittelpunkt nicht am Arbeitsort. Problematisch war in diesem Fall die Regelmäßigkeit der Familienheimfahrten, da eine Wohnung grundsätzlich von der Finanzverwaltung nur dann als Lebensmittelpunkt betrachtet wird, wenn diese mindestens zweimal im Monat, also 24‐mal im Jahr, aufgesucht wird. Die geforderte Anzahl an Familienheimfahrten konnte jedoch nicht durch die vorgelegten Kilometerangaben des Klägers nachgewiesen werden. Allerdings kam man nach ausführlicher Sachverhaltserörterung zu dem Ergebnis, dass dem Kläger aufgrund der besonderen Lebensumstände vom Finanzamt 16 Heimfahrten anerkannt werden sollten. Diese Entscheidung soll auch bindend für die künftigen Steuererklärungen des Klägers sein.
Nach den Verhandlungen wurden die Ergebnisse bei Kaffee und Brezeln diskutiert. Hierzu gesellten sich auch die an der Verhandlung beteiligten Berufsrichter, welche viele spannende und zum Teil auch verwunderliche Anekdoten aus ihrer Berufsleben erzählen konnten. Für den äußerst spannenden und lehrreichen Ausflug wollen wir uns recht herzlich bei Ramona Christ und Maria Koinzer bedanken, die den Besuch am Finanzgericht organisiert haben.
Kerstin Fliege und Marina Rupp